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Cartoons neu denken

Cartoons neu denken

Ein Text von Münevver Arslan

Ich wusste nicht genau, was mich erwartet, als ich das Cartoonmuseum Basel betrat. Comics hatte ich bis dahin eher mit Kindheitserinnerungen, bunten Heften und leichter Unterhaltung verbunden. Doch die Ausstellung „From Scratch“ von Thomas Ott hat mir eindrücklich gezeigt, wie tiefgründig, verstörend und gleichzeitig poetisch das Medium Comic sein kann.

Schon beim Eintritt in den ersten Raum war klar: Hier wird nicht mit Farben gearbeitet, sondern mit Kontrasten. Schwarz dominiert und damit auch die Themen: Tod, Angst, Schmerz und Einsamkeit. Thomas Ott kratzt seine Bilder in schwarze Kartons, sogenannte Schabkartons. Dabei entstehen keine Zeichnungen im klassischen Sinn, sondern Bildwelten, die durch das Entfernen von Schwarz zum Vorschein kommen. Ein Werk hat mich besonders bewegt: Der Wald. Es erzählt in 25 Bildsequenzen, ganz ohne Text von der Begegnung zwischen einem Jungen und seinem sterbenden Großvater. Dieses bewusste Weglassen von Worten, hat mich tief berührt. Es war, als würde ich in eine persönliche Erinnerung eintauchen, obwohl ich den Protagonisten nicht kenne. 

Die Ausstellung ist bewusst nicht chronologisch aufgebaut. Sie beginnt mit weniger bekannten, neuen Arbeiten. Als Besucher:in wird man erst einmal aus der Erwartungshaltung geworfen und genau das fand ich spannend. Ich wurde gezwungen, unvoreingenommen zu schauen, zu fühlen und mich auf Otts Welt einzulassen, ohne sofort nach Kontext oder Erklärung zu suchen.

In einer der Vitrinen wurde Otts künstlerischer Prozess sichtbar gemacht: Skizzen, Vorzeichnungen und Werkzeuge. Bevor Ott auf den Schabkarton kratzt, entwickelt er Storyboards, entwirft Perspektiven, studiert Licht und Schatten.

Ein anderer Raum widmete sich seinem Projekt „Das otologische Zimmer“. Inspiriert von einem fiktiven Anatomie-Institut, schuf Ott eine bizarre, fast medizinisch wirkende Umgebung. Große Portraits, Umrisse von echten Menschen und die Frage, was von uns bleibt, wenn wir gehen. Es war einer dieser Räume, in denen ich mich unwohl, aber gleichzeitig neugierig fühlte. Was mir besonders gefallen hat: Die Ausstellung kommt weitgehend ohne erläuternde Wandtexte aus und setzt stattdessen auf eine räumlich-atmosphärische Wirkung. Durch die reduzierte Gestaltung mit gezieltem Licht, schlichten Rahmungen und offenen Raumfolgen entsteht ein stiller Dialog zwischen Werk und Betrachtenden. Diese Zurückhaltung erzeugt eine dichte, fast intime Atmosphäre, in der die Besucher:innen selbst zum Interpretieren eingeladen sind, ohne in eine bestimmte Sichtweise gedrängt zu werden.

Bilder: Münevver Arslan, 14.04.2025/27.05.2025

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