
Wer braucht schon Kunstmuseen!?
Wer braucht schon Kunstmuseen!?
Ein Text von Fabienne Orsinger
Gleich vorweg, mit Kunstmuseen kann ich nicht viel anfangen. Auch dieser Besuch in der Sammlung des Kunstmuseums Bern ist eher ein Zufall und auch nicht ganz freiwillig. Geplant war nur die Besichtigung der Wettbewerbsausstellung für den neuen Erweiterungsbau. Doch die Wegführung im Museum ist verwirrend, und so sind meine Begleitung und ich ungeplant in der Sammlung des Kunstmuseums gelandet.
Der Raum, in dem wir uns befinden, ist riesig. Bestimmt sechs Meter hoch, mit weissen, glatten Wänden und schlichtem Licht. Es ist still. Keine Besuchenden, kein Gemurmel, keine Bewegung. Ganz allein sitze ich auf der mittleren Fensterbank, die zu einem der drei bis zur Decke reichenden Fenster gehört. Von hier habe ich den gesamten Raum im Blick. Die Gemälde an den drei anderen Wänden konnten mich nicht länger aufhalten. Meine Begleitung hingegen, noch zwei Räume hinter mir, kann sich gefühlt stundenlang in den Bildbeschreibungen verlieren.
Ich warte. Gelangweilt. Mit leerem Magen. Genervt.
Ich stelle mir frustriert die Frage, ob es Kunstmuseen und im Speziellen diese aus meiner Sicht unglaublich langweilige Sammlung überhaupt braucht. Ob es nicht sinnvollere Nutzungen für solche Räume gibt. Warum genau diese Werke? Wer entscheidet das? Ist es nicht wenigstens möglich, etwas platzsparender auszustellen? Ich beginne laut zu denken, hinterfrage den Luxus von Raum, den Kunst für sich beansprucht. Meine Begleitung setzt sich neben mich und sofort entsteht eine hitzige Diskussion, die schnell im Streit endet.
Plötzlich betritt ein älterer Herr, wohl um die 80, mit seiner Begleitung den Raum. Er spricht mit einer solchen Lautstärke, dass sofort die Museumsaufsicht erscheint. Sie sagt nichts, schenkt uns aber ein prüfendes Lächeln, als wolle sie fragen: «Stört euch das?» Der alte Mann testet seine vermutlich neue Brille und kommentiert mit amüsanter Offenheit, aus welcher Entfernung und in welchem Winkel er die Gemälde und die dazugehörigen Beschreibungen am besten erkennen kann. Überzeugt ist er von seiner neuen Sehhilfe offensichtlich aber ganz und gar nicht. Seine Begleiterin ist bemüht, seine Lautstärke mit einem beschämten Lächeln zu entschuldigen.
Er geht zum nächsten Bild, bleibt stehen, ist in erster Linie begeistert von der Farbigkeit und lacht laut auf. Eine helle, ehrliche Freude, die den ganzen Raum füllt. Er ist hell begeistert über das Werk mit Blick auf den Thunersee, und als er auch noch entdeckt, dass es von Ferdinand Hodler stammt, ist seine Begeisterung kaum mehr zu bändigen. Der Raum, der eben noch leer und kühl gewirkt hatte, ist auf einmal erfüllt von Freude und Begeisterung.
Unsere Diskussion ist vergessen und wir lachen mit, genau wie die Aufsicht und weitere Mitarbeitende, die neugierig ihre Köpfe in den Raum strecken.In diesem Moment war sie beantwortet, meine Frage, ob es diese Sammlung braucht oder nicht.