Königliches Kunsthandwerk aus Neapel
Königliches Kunsthandwerk aus Neapel
Spielzeug Welten Museum Basel
Ein Text von Céline Müller
Online wirbt die Ausstellung Königliches Kunsthandwerk aus Neapel mit „typisch südländischen Alltagsszenen“¹. Diese Formulierung sollte mittlerweile aus mehreren Gründen hellhörig machen; zum einen exotisiert der Begriff „südländisch“ das Dargestellte und die Unterschiede zwischen Bekanntem und Unbekanntem rücken in den Fokus. Zum anderen verallgemeinert diese Beschreibung eine, bei näherer Betrachtung, sehr konkrete und vor allem ortsspezifische Thematik unnötig. Der erste Eindruck des Umgangs in Bezug auf kulturelle Aneignung kann nicht als geglückt bezeichnet werden, weshalb sich dieser Eindruck bestätigt, jedoch auch an manchen Stellen widerrufen hat, wird im folgenden geschildert und argumentiert.
Die Erwähnung des Königlichen im Titel der Ausstellung bezieht sich auf die Leidenschaft für das Handwerk, das durch das Königshaus des 15. Jh geweckt wurde und wodurch später auch die wohlhabende Bevölkerungsschicht sich am Krippenbau erfreute. Die Ausstellung im dritten Stock des Museums zeigt die traditionell neapolitanische Handwerkskunst des Krippenbaus in drei grossen Vitrinen. Der Künstler Mario Capuano, welcher die Exponate, neben den Krippen auch alle Figuren und zusätzlichen Teile gefertigt hat, ist selbst neapolitanischen Ursprungs und stammt aus einer Familie, die sich schon seit Mitte des 19 Jh. dem Krippenbau gewidmet hat. Deswegen ist anzunehmen, dass die traditionelle Bauweise weitergegeben wurde und somit das traditionelle Handwerk authentisch gezeigt wird. Wichtig dabei ist in Bezug auf die kulturelle Aneignung, dass der Künstler selbst aus Neapel stammt und somit Teil der dargestellten Kultur ist. Die dargestellten Szenen sollen den Alltag in Neapel im 18 Jh. zeigen, vor dem historischen Hintergrund von Neapel zu dieser Zeit erscheinen die romantischen Szenen gefüllt mit Gastfreundlichkeit, gutem und vor allem reichlich Essen und ausgelassenem Feiern jedoch wenig authentisch. Die Pest hatte Ende des vorangehenden Jahrhunderts rund einen Drittel der Bevölkerung dahin gerafft und Neapel war gekennzeichnet durch Armut und Hungersnot. Anfang des 18 Jh. erlang es durch einen Herrschaftswechsel einen kurzzeitigen Aufschwung, welcher jedoch nur ungefähr 20 Jahre lang langsam voranschritt, um danach wieder einzubrechen und sich die Lebensbedingungen erneut immer weiter verschlechterten.²
Zusammenfassend stellt sich die Frage nach dem Bildungsauftrag des Museums als Institution. Einerseits ist dabei klar der Fokus auf dem Krippenbau als traditionelle Handwerkskunst, andererseits stellt sich mir trotzdem die Frage nach der Authentizität der Darstellungen. Die Romantisierung der Szenerien verklärt die Sicht auf den reellen Alltag von Neapel im 18. Jh., wobei sich die Grenzen des Informationsgehalts der Ausstellung zeigen. Alles in allem freut sich das junge Publikum sicherlich über die hübschen Figuren.
Basel, den 27.04.2021
1 https://www.spielzeug-welten-museum-basel.ch/de/museum/neapolitanische-volkskunst/geschichte/, 20.04.2021
2 https://www.neapel-stadt.de/neapel-geschichte.htm, 20.04.2021