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Ganz Ohr Bild 1 Singende Steine Eigene Aufnahme

Ganz Ohr!

Nature. Sound. Memory

Monira Al Qadiri

Joan Jonas

Sigalit Landau

Maya Schweizer

Hannah Weinberger

Kunsthaus Baselland, 10.3. – 9.7.2023

Ganz Ohr!

Ein Text von Seraina Keller, 23.04.2023

Würstelstand, Festbänke-Ensemble, dumpfes Fussballfan-Gejohle aus dem nahen Stadion, eifrig laute Sportmoderatoren-Phrasen aus den Lautsprechern. Der FCB spielt gegen Luzern – Ich erreiche das Kunsthaus Baselland. Auf dem kurzen Weg um die Ecke zum Eingang des Kunsthauses verstummen langsam die Fussballmatchklänge und gehen über in Vogelgezwitscher, das von der kleinen Baumallee zu hören ist. In freudiger Erwartung auf die Ausstellung von Simone Holligers Werk betrete ich das Kulturgebäude. Beim Eintreten unterliegen die Vogelgesänge einem sanften Fade-out, bis ich in der andächtigen Stille des Kunsthauses ankomme. Ich halte inne – was für ein skurriles Hors d’oeuvre! Ich mache noch einmal kehrt und gehe nach draussen. Durchschreite noch einmal diese merkwürdige Abfolge an Szenerien – und plötzlich bin ich ganz Ohr.

Nun erneut mitten im lichtdurchfluteten Weiss des Kunsthauses stehend, bleibt mein Blick – oder vielmehr mein Ohr – beim Treppenaufgang des Untergeschosses hängen. Leise, doch intensive Klänge durchbrechen von unten die Stille. Wie ein unausweichlicher Sog führen sie mich, geradewegs am ursprünglich zu besichtigen geplanten Werk vorbei, nach unten und damit in die Gruppenausstellung Nature. Sound. Memory

Die Werke von fünf Künstler:innen bespielen diese Räume. Ich trete an die erste Videoinstallation heran, deren Tonspur mich bereits im Erdgeschoss abgeholt hat. Über den Lautsprecher oder auch per Kopfhörer folge ich der filmischen Arbeit. Beides funktioniert und lässt mich in die ineinanderfliessenden Bilder von sprudelnden Gewässern und deutscher Geschichte eintauchen.1 Nur ein paar Schritte davon entfernt stelle ich mich vor eine andere Arbeit. Dumpfe Klänge unterstützen die Projektion von in Schnee versinkenden mit Frost überzogenen Schuhen.2 «Ils ont disparu» – Sprachfetzen von der vorangehenden Installation fügen sich wie kuratiert in das Werk ein. In den kurzen stummen Passagen der Installation vernehme ich wiederum neue Klänge vom nächsten Raum. Drei mittelgrosse Granitsteine liegen hier verteilt. Die Töne aus den vorherigen Räumen noch immer präsent, nehme ich dennoch ein leises Singen von unbekannter Quelle wahr. Ich schreite durch den Raum, bis ich erkenne, «wer da spricht». Ich knie mich nieder, ganz nah heran und lausche der sanften «Stimme der Natur»3.

Ich bin gefesselt von den Werken, vor allem aber auch von der akustischen Feinheit in den für mich so durchdacht wirkenden Übergängen von einem Werk zum Nächsten. Ein Beweis dafür, wie sehr die Kuration einer Ausstellung das Besucher:innenerlebnis mitgestaltet – oder auch dafür, wie sehr Erlebnisse kurz vor dem Ausstellungsbesuch und die Konstitution der Besuchenden selbst den Ausstellungsbesuch prägen? Ich bedanke mich jedenfalls bei der Kuration sowie dem FCB und verlasse beglückt und inspiriert das Kunsthaus Baselland. Draussen ist es ruhiger geworden. FCB 0 – FCL 2.

1 Voices and Shells (2020) von Maya Schweizer, die sich in ihren filmischen Arbeiten seit vielen Jahren mit Fragen von Geschichte, Identität und Erinnerung auseinandersetzt. (Goldbach)

2 Die in Israel lebende Künstlerin Sigalit Landau arbeitet seit vielen Jahren mit dem natürlichen Material Salz. Sie nutzt den natürlichen Prozess der Kristallisation um alltägliche Objekte und Gegenstände mit einer Salzkruste zu versehen, dadurch zu verfremden und zugleich poetisch-rätselhaft aufzuladen (Goldbach)

3 Das Werk Singende Steine von Hannah Weinberger lädt ein näher zu treten. (Goldbach)

Quellen:

Goldbach, Ines: Nature. Sound. Memory, Ausst.-Beschrieb Kunsthaus Baselland, 10.3. – 9.7.2023, hrsg. vom Kunsthaus Baselland, Muttenz/Basel: o.D.

FC Basel 1893 AG, o.D., <https://www.fcb.ch/aktuell/news/1-mannschaft/spielbericht-fc-basel-fc-luzern-2/> (23.04.23)

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