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1 Thomas Demand Dailies

Schiffe versenken im Schaulager

Schiffe versenken im Schaulager

Ein Text von Romy Vetter 

Studierende nach C2. So oder so ähnlich könnte die Navigation im Schaulager klingen. Wie eine Flotte folgen wir der Person, die uns führt und als Einzige einen Plan hat, wohin es geht. Denn im Vergleich zu den Ausstellungsräumen im unteren Teil sind die oberen Stockwerke das Lager. 

Wenn ich an Lager denke, denke ich an einen Dachboden. Ich denke an viele Dinge, wenig Licht, Hitze im Sommer und Kälte im Winter. Ich denke auch an einen Keller. Werkzeug, Fahrradpumpe, Getränkevorrat. Im besten Fall ein bisschen sortiert, meistens aber einfach nur abgestellt.

Im Schaulager aber reihen sich hohe, weiße, helle Gänge aneinander, seitlich von Schiebetüren gesäumt. Die Gänge sehen alle gleich aus und wirken wie ein Labyrinth. Nur die Buchstaben der Gänge und die Nummerierung der einzelnen Lagerräume auf dem Boden geben Aufschluss darüber, wo wir uns gerade befinden. Ein paar Mal gehen wir zu weit oder müssen kurz anhalten, damit sich die Person mit dem Plan wieder orientieren kann. Kurs gesetzt. 

Wir stehen vor einem Raum. L5. Die weiße, hohe Schiebetür gleitet wie von Geisterhand zur Seite – keine Spur von Schienen, alles gut versteckt und undurchsichtig. Im weißen Raum hängen oder stehen die Kunstwerke, gut verteilt und kuratiert. Treffer. 

In einem anderen Raum sieht man unbenutzte Nägel an der Wand. Im nächsten Raum stehen wir mitten im Raum, wo eigentlich ein Kunstwerk steht. Wasser. 

Es gibt einige Hinweise darauf, dass wir uns nicht in einem Museum, sondern in einem Lager befinden. Das ganze Schaulager ist ein hochklimatisiertes Gebäude. Hier herrschen das ganze Jahr über die gleichen klimatischen Bedingungen, damit die Kunstwerke optimal gelagert werden können.

Für die Besuchende des Lagers ist es zudem ein Rätsel, von wem welche Werke stammen. Keine Informationstafel, keine Beschriftung der Bilder. Wir können uns nur an die Person wenden, die uns durch das Schaulager führt. Fotografieren dürfen wir nicht. 

Wir sehen zum Beispiel Arbeiten von Thomas Demand. Ein Künstler, dessen Fotografien ausgestellt sind. Aber es sind nicht nur Fotografien, es sind Fotografien von Modellen, die er selbst gebaut hat, um sie dann zu fotografieren. Oft sind es nachgestellte Situationen aus dem eigenen Alltag, wie in seiner Serie Dailies. Manchmal auch nachgestellte Bilder, die Erinnerungen an Katastrophensituationen im kollektiven Gedächtnis wachrufen. Unter anderem hat er die Pacific Sun modelliert und fotografiert. Ein Schiff, das bei starkem Seegang in Turbulenzen gerät.

Obwohl das Schaulager ein nicht öffentlich zugängliches Depot ist, fühle ich mich wie in einem Museum, einem inoffiziellen Museum. Ich habe das Gefühl, einen Blick auf die geheime andere Seite werfen zu dürfen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Mit diesen Erkenntnissen werden wir dann als Gruppe wieder hinausbegleitet.

Treffer und versenkt.

Bildcredits:

Dailies, https://thomasdemand.net/selected-work/dailies aufgerufen am 28. Mai 2025

Gate, https://freunde-der-nationalgalerie.de/blog/erwerbungen/thomas-demand/ aufgerufen am 28. Mai 2025

Pacific Sun, http://thomasdemand.net/selected-work/pac-sun aufgerufen am 28. Mai 2025 

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