
DIE ROSA WAND SPRICHT NICHT.
DIE ROSA WAND SPRICHT NICHT.
HOME IS A FOREIGN PLACE – SANDRA KNECHT
Ein Text von Marie-Claire Larboulette
Beim Betreten der Ausstellung Home Is A Foreign Place von Sandra Knecht überkam mich ein seltsames Gefühl. Ich muss gestehen, dass ich vor dem Besuch kaum recherchiert oder versucht hatte, vorbereitet zu sein.
Der erste Blick durch den kleinen Eingangsraum war ein verwirrter. Ich sah eine Ansammlung von Objekten: wirr, fast beliebig.
Fotografien, Kinderzeichnungen, Einmachgläser, ein kaputter Motorradhelm und schliesslich eine mumifizierte Katze. Keine Beschriftungen, keine Texte, keine Hinweise auf Kontext oder Bedeutung. Es wirkte wie ein Archiv persönlicher Reste – ohne System, ohne erkennbare Erzählung. Ich war irritiert. In diesem Moment bahnte sich ein ungeahntes Privileg an: Sandra Knecht selbst begleitete unsere Gruppe durch die Ausstellung.
Sie begann zu erzählen. Eine fragmentierte, sorgfältig gesetzte Biografie spannte sich nach und nach um die Exponate. Verbindungen, die mir zuvor verborgen geblieben waren, wurden sichtbar.
Knecht sprach von der Dreiteilung der Ausstellung: vom Aussen über das Eigene hin zum Innersten. Und ich begann, Muster zu erkennen. Viele Objekte treten in Dreiergruppen auf. Ein Triptychon aus Dingen, aus Erinnerungen, aus Bedeutungen, die sich nicht aufdrängen.
Besonders berührte mich ein fotografisches Selbstporträt von 1997. Knecht sitzt auf einem Stuhl, schlicht und ruhig. In der Ausstellung ist das Bild an einer rosafarbenen Wand angebracht, gemeinsam mit zwei kleineren Fotografien.
Die Farbe Rosa verweist auf das Rosa Dreieck – jenes Symbol, mit dem queere Menschen im Nationalsozialismus gebrandmarkt wurden. Auch hier keine Erklärungen. Nur Andeutung, stille Geste. Ich bin dankbar, dass ich diese Führung erleben durfte. Die Offenheit, mit der Knecht über Zugehörigkeit, Heimatlosigkeit und Selbstermächtigung sprach, hat mein Verständnis tief geprägt.
Mit dem Wissen um die Hintergründe veränderte sich mein Blick stetig. Die Dinge um mich herum wirkten nicht mehr beliebig, sondern fast intim.Gleichzeitig bleibt eine Frage: Wie zugänglich ist diese Tiefe für Besucher*innen ohne diese persönliche Vermittlung? Wer die Künstlerin nicht erlebt, bleibt womöglich aussen vor – ausgeschlossen von jenen Kontexten, die das Erleben der Ausstellung so berührend machen.



Bilder: Einmachgläser, Katzenmumie, Kinderzeichnungen. Fotos: Marie-Claire Larboulette