Im Dschungel der Queeren
Im Dschungel der Queeren
Blogeintrag über die Ausstellung „Queer“ im Naturhistorischen Museum Bern
Ein Text von Delia Rossi
A-Sexuell, bi-Sexuell, CIS, intersexuell, schwul, lesbisch, binär oder non-binär… solche Begriffe lösen für manche Menschen eine Verwirrung aus, für andere wiederrum sind sie tägliches Brot. Genau da will die Ausstellung „Queer“ im Naturhistorischen Museum Bern Klarheit schaffen. Sie bietet mit vielen unterschiedlichen Stationen an denen gelesen, geschrieben, gehört, gesehen oder gespielt werden kann, eine Bandbreite an Wissen rund um die Vielfalt der Sexualität im menschlichen- UND Tierreich an.
Was allerdings die räumliche Führung der Ausstellung anbelangt, führt diese meiner Meinung nach eher zu einer Verwirrung. Denn eine klare Wegführung, wie ich sie in anderen Museen kenne, gibt es nicht. Da hilft auch das kleine Entdeckerheftchen mit einem einfachen Grundriss nicht viel, das wir zu Beginn erhalten haben.
Was am Angang noch gut funktioniert, löst sich nach kurzer Zeit radikal auf: Ein Container, den man «durchqueeren“ muss, öffnet seine Türen, um auf Umwegen in den Hauptausstellungsraum zu gelangen. Was ich da alles vorfinde, ist grandios. Grandios verwirrend und grandios spannend. Ich fühle mich ein wenig wie in der freien Wildbahn ausgesetzt, wo ich mich erstmal zurechtfinden muss. Vor allem muss ich darauf achten, dass ich bloss keinen Posten in der Ausstellung übersehe. Sobald ich den Container verlasse, gibt es zwei Wege in den Hauptausstellungsaum: Einer geradeaus, den die meisten gehen, und einer links, der direkt dorthin führt. Ich gehe, wie fast alle, den Weg geradeaus und sehe viele spannende einzelne Stationen. Fast im Hauptraum angekommen, lächelt mich gerade noch beim Vorbeigehen und nahezu im toten Winkel ein Stempeltisch an. Fast hätte ich ihn verpasst! Dort kann ich nämlich das Tier, welches ich gerne wäre, in mein Entdeckungsheftchen reinstempeln. Mit Schrecken stelle ich aber fest, dass all die Menschen, die den direkten Weg links nehmen, alle anderen Stationen verpassen. So ist zu Beginn der Ausstellung schon ein Zurückgehen in dem Parcours nicht zu vermeiden, wenn man alle einzelnen Stationen erkunden möchte.
In der Mitte nun angekommen, fängt das Chaos jetzt aber erst richtig an: Denn dort erwarten mich plötzlich ganz viele interaktive Stationen. Die Anschrift „Hier geht’s weiter“ und die dahinter verborgene Geräuschkulisse gibt mir Orientierung, dass ich wahrscheinlich dort durch sollte.
Ein bisschen verloren komme ich aus dem Tunnel raus. Ich suche verzweifelt den nächsten Anschluss zu den Bänken, wo ich mir die Geschichte einer lesbischen Frau anhöre. Ich geniesse es, bis mich eine andere Stimme im Mittelraum ablenkt. Ich springe dorthin und „queerbeet“ von der einen zur anderen Station. So ergeht es mir, bis ich am hinteren Ende des Hauptausstellungsraums eine dunkle Kammer entdecke, wo ich durch einen Vorhang reingehen kann. Viele verschiedene Bildschirme lachen mich an, dazwischen ein zweiter Vorhang. Voller Begeisterung gehe ich auch durch diesen, wo mich nun ein grosser Bildschirm empfängt. Links davon wieder ein Vorhang – alle guten Dinge sind ja drei – und ich stehe plötzlich vor einem Schaufenster. Doch so gut war es leider nicht, dass ich durch alle drei Vorhänge wieder zurück musste, um wieder ins Zentrum zu gelangen.
Positiv überrascht bin ich von der Treppe, die mich in das zweite Geschoss führt. Sie zeigt auf fast jeder Stufe chronologisch nach oben aufsteigend – wie die Treppe – wichtige Meilensteine der Geschichte der sexuellen Diversität auf. So fällt mir das Laufen plötzlich wieder ganz leicht.
Auch der obere und somit zweite Teil der Ausstellung ist wohlverdient: Um dorthin zu gelangen, muss ich nochmals den ganzen unteren Raum „durchqueeren“. Die Führung wird dem Namen der Ausstellung plötzlich auch räumlich ganz gerecht.
Oben angekommen gönne ich mir erstmals stolz einen Ausblick auf den Parcours im Erdgeschoss, den ich durchlaufen bin. Den hätte ich mir schon früher gewünscht, denn das ist das erste Mal, wo ich wirklich das Gefühl habe, einen Überblick über die Ausstellung zu bekommen. Meinerseits hätte die Ausstellung auch oben anfangen können. Doch dann hätte es wahrscheinlich nicht die drei tollen Türen geben können, die dann am Ende des Parcours kein Zurück mehr erlauben. Entschlossen gehe ich durch die Tür, die am meisten meiner sexuellen Orientierung entspricht und hätte mir gewünscht, dass es während der gesamten Ausstellung mehr solche klaren, voneinander abgegrenzten Durchgänge gegeben hätte.
Es wäre auch toll gewesen, wenn sie sich entweder für ein komplett offenes Konzept entschieden hätten, wo man fließend von jeder Station die nächste erreicht. Oder dass es wirklich eine klare Wegführung gibt, wo es nur ein Vorwärts und kein Rückwärts gibt.
Ich finde jedoch, dass die Ausstellung mit ihrem Parcours ihrer Thematik „Queer“ nicht nur wörtlich ganz gerecht wird. Denn vielleicht wollte die Ausstellung nämlich genau die Themen der Diversität, Vielfalt, verschiedenen Möglichkeiten und des „nicht-straighten“ in den Parcours einbringen? Diesen bin ich nämlich tatsächlich nicht einfach straight durchlaufen, sondern habe ihn mehrmals auf verschiedenste Weisen „durchqueert“.
Bildverzeichnis
Titelbild: Logo der Ausstellung „Queer“ aus: https://memberplus.raiffeisen.ch/de/museum/kunstmuseen/ausstellung-queer-vielfalt-ist-unsere-natur