Die zwei Gesichter einer Aufhängung
Die zwei Gesichter einer Aufhängung
Sickscreen Land, La Tour-Panorama, 5. Stock, Marseille
14. Dezember 2019 bis 23. Februar 2020
Ein Text von Leonie Ottiger
Im Rahmen der Studienreise im Februar 2020, besuchte ich in Marseille die temporäre Ausstellung mit dem Titel ‘Sickscreen Land’. Sie befindet sich im 5. Stock des ‘Tour-Panorama’ auf dem Gelände der ‘Friche la Bella de Mai’ und erstreckt sich über 600 Quadratmeter. Gezeigt werden Siebdrucke der zeitgenössischen Szene, mit Gästen aus aller Welt.1
Der Raum wirkt wie ein grosses Wimmelbild. Zwar geht man ohne etwas Bestimmtes zu suchen durch den Raum, freut sich aber immer wieder, wenn man etwas entdeckt hat. Stundenlang könnte ich die Details der humorvollen, mystischen und teils auch sehr provozierenden Bilder studieren. Unzählige handwerkliche Arbeiten hängen nebeneinander, übereinander oder von der Decke. Zum Teil liegen sie auch auf dem Boden. Es erinnert an eine Werkstatt, wo die frisch gedruckten Siebdrucke zum Trocknen aufgehängt wurden. Unterstützt wird dieser Charakter dadurch, dass die Bilder nicht eingerahmt sind, es keine Beschreibungstafeln und auch keine Sicherheitslinien am Boden gibt. Diese Unmittelbarkeit wirkt persönlich und würdigt das Handwerk des Siebdruckes an sich.
Dies steht im Kontrast zu den klassischen, konservativen Kunstgalerien, wo alle Gemälde hinter Glas versteckt sind und mit Absperrbändern vor den Besucher*innen geschützt werden. Sollte man doch mal zu nah kommen, rennt sofort das Sicherheitspersonal wild gestikulierend herbei. Vielleicht geht sogar ein Alarm los, um einen vor allen Anwesenden bloss zu stellen. Wenn es dann mal erlaubt ist, nah an die Bilder heran zu treten, wie hier bei ‘Sickscreen-Land’, wird das auch ausgenutzt. Ich und auch meine Mitstudierenden gehen zum Teil ganz nah dran, um auch die kleinsten Details zu erkennen. Dennoch sind die Regeln klar: ‘dont’ touch’! Dabei fällt mir die konkrete Befestigungsart der Bilder auf. Jeder Papierbogen wurde mit vier kleinen Magneten an Schrauben in der Wand befestigt. Ziemlich clever, denke ich. So sind keine Rahmen notwendig, und dennoch sieht es sauber aus. Die Aufhängung wird jedoch bald darauf auf die Probe gestellt. Nämlich als die fast dreissig Studierenden einer Sprecherin zuhören und schon etwas müde, sehr nah an den Ausstellungswänden stehen. Jemand möchte von der einen auf die andere Seite wechseln und sucht sich den einfachsten Weg durch die Menschengruppe hindurch. Das war zu knapp an der Wand vorbei. Beim Vorbeigehen wird ein Bild gestreift, sodass es halb zerknittert herunterhängt. Erst nach langem Probieren kann das Bild nur mässig befriedigend mit dem heruntergefallenen Magnet wieder befestigt werden. Ganz ungewöhnlich, dass noch kein Sicherheitspersonal angerannt kam.
Also, ich sehe ein: Vielleicht macht es doch Sinn, dass in Kunstmuseen die Bilder hinter Glas sind und Wert auf genug Abstand gelegt wird. Trotzdem finde ich es angenehm und sympathisch einer Aufhängung wie bei ‘Sickscreen Land’ zu begegnen. Es sollten sich einfach keine müden, unaufmerksamen Studierende zu nah an den Bildern befinden.
1 http://www.lafriche.org/fr/agenda/sickscreen-land-1849
Abb. 1: Unzählige Siebdrucke sind zu sehen. (von Franziska Mayer)
Abb. 2: Das heruntergefallene Bild konnte wieder mit den Magneten befestigt werden. (von Leonie Ottiger)
Abb. 3: Die vielen Details sind nur von Nahem erkennbar. (von Leonie Ottiger)