
Stillgestellt
Stillgestellt
«Memory – Momente des Erinnerns und Vergessens», Museum der Kulturen Basel
Ein Text von Carmen Fust
Der Titel dieser Ausstellung löste in mir gemischte Gefühle aus – vor allem aber hohe Erwartungen. In meinem Kopf begann ein inneres Gedankenspiel: Was bedeutet es eigentlich, sich zu erinnern? Und was bedeutet es, zu vergessen? Für mich sind Erinnerungen etwas sehr Persönliches – manchmal melancholisch, oft voller Farben, Geräusche und Emotionen. Ich liebe es, in Erinnerungen zu schwelgen – selbst in den längst verblassten. Umso gespannter war ich auf diese Ausstellung.
Im Museum der Kulturen angekommen, betrat ich die Ausstellung mit grosser Vorfreude. Bereits im ersten Raum wurde ich mit Dingen konfrontiert, die ich zwar irgendwo erwartet hatte – innerlich aber auf etwas anderes gehofft hatte: auf etwas Besonderes. Der Raum wirkte kühl, dominiert von kaltem Licht in Weiss- und Blautönen. Auch die Wände waren schlicht weiss. In einer Art Setzkasten waren verschiedene Objekte ausgestellt: Figuren, Geschirr, ein Stück der Berliner Mauer – Erinnerungsstücke, die zweifellos bedeutungsvoll sind. Doch meine Mimik blieb neutral, und ich ging weiter.
Der nächste Raum war ähnlich aufgebaut, diesmal jedoch gefüllt mit zahlreichen Sockeln und Objektträgern in Erdtönen. Darauf befanden sich verschiedenste Gegenstände aus aller Welt – aus unterschiedlichen Kulturen. Doch viele dieser Objekte wirkten auf mich aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen, beinahe wahllos nebeneinandergestellt. Sie sollten offenbar an Vergangenes erinnern und dem Vergessen entgegenwirken. Doch mir fehlte der Zugang. Die Präsentation wirkte auf mich etwas lieblos – die Objekte verloren ihre Kraft, ihre Spiritualität, ihre Geschichten.
Sie wurden zu stillen Dingen in einem grossen, weissen Raum – obwohl sie doch eigentlich zum Sprechen gebracht werden sollten.
Ich blieb vor der Wächterfigur Koroshi stehen. Ohne Kontext stand ich davor – und mir blieb nichts anderes übrig, als den Objektbeschrieb zu lesen. Schnell wurde klar, dass die Figur aus Peru stammt. Als ich das las, füllte sich mein Kopf mit Erinnerungen an Peru – an Erlebnisse, die ich mit dem Land verbinde, als ich es bereiste. Schwelgend in Gedanken, mit veränderter Mimik, löste dieses Objekt endlich etwas in mir aus. Mir wurde ganz warm, in meinem Kopf wurde es laut – erfüllt von Musik, Düften und Unbeschwertheit.
Mit Bedauern musste ich jedoch feststellen, dass dieses Objekt in der Ausstellung ziemlich stillgestellt wurde. All die Emotionen, die es in mir weckte, entstanden allein in meinem Kopf – nicht durch die Inszenierung.
Es war genau dieser kurze Moment, auf den ich mich gefreut hatte: das Entstehen von Emotionen, Klang, Atmosphäre. Doch all das entstand nur in meinem Inneren – nicht bildlich vor meinen Augen. Ich hatte mir unter dem Titel „Erinnern und Vergessen“ etwas anderes vorgestellt: mehr Kontext, mehr Tiefe, mehr Echtheit, mehr Berührung. Ich wollte in den Bann gezogen werden – nicht einfach nur Objekte anschauen, die symbolisch an etwas erinnern sollen. Ich wollte sie spüren, nicht nur sehen.
Vielleicht wurde hier nicht nur das Erinnern vergessen, sondern auch das Kuratieren selbst – und dadurch wurden die Objekte stillgestellt.
