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Abbildung 3  Alte Weisse Männer Im Fokus

Auf den Spuren der letzten Hexe Europas : Alle Menschen sind vor dem Gesetz (nicht) gleich.

Auf den Spuren der letzten Hexe Europas : Alle Menschen sind vor dem Gesetz (nicht) gleich. 

Ein Besuch im Anna Göldi Museum in Glarus.

Ein Text von Esther Spälti

Wie ein Mahnmal kennzeichnet der von Weitem sichtbare Kaminschlot mit der Aufschrift «ANNA», wo der «letzten Hexe von Europa» und ihrem skandalösen Gerichtsprozess ein Museum gewidmet ist. Schon das Gebäude, in dem sich das Museum befindet, strahlt eine Botschaft aus: ich werde tief in die Glarner Geschichte eintauchen. Es handelt sich um einen ehemaligen «Hänggiturm», während der Zeit der Textilblüte gebraucht, um Stoffbahnen aufzuhängen und zu trocknen. Dort im obersten Stock, unter einer eindrücklichen und jahrhundertealten Balkenkonstruktion, wird die Geschichte der Ärzte-Magd, die Ende des 18. Jahrhunderts unter Folter zu einem Geständnis gezwungen und anschliessend geköpft worden ist, mit einer Fülle an Objekten und Kontextinformationen den Besucher:innen aufgezeigt. 

Meterlange Tücher, auffällig pechschwarz gefärbt, hängen von der hohen Decke herab und empfangen mich mahnend. Das Ausstellungsdesign lehnt sich also am ursprünglichen Zweck des Gebäudes an und spricht eine deutliche Sprache. In Kombination mit dem Spiegelboden wird verdeutlicht: Was Anna Göldi widerfahren ist, grenzt an Bodenlosigkeit und ist ein dunkles Kapitel der Glarner Justiz. 

Die Tücher weisen mir den Weg durch vielfältige Exponate und ich lerne in Themeninseln mehr über verschiedenste Aspekte der Geschichte. Im Zentrum des Rundgangs steht die Gerichtsverhandlung, wozu es sehr ausführliche Akten gibt. Diese werden als Replika in Vitrinen gezeigt, was nicht sehr spannend ist. Sie lenken leider auch den Blick von einem anderen Objekt ab. Über der Vitrine hängt nämlich eine Replika des Schwertes, mit dem Anna Göldi angeblich geköpft worden sei. Hier wird eindeutig eine szenografische Chance verpasst: das Schwert schwebt nicht etwa drohend über meinem Kopf, sondern hängt nichts aussagend und schlecht beleuchtet vor einem Balken in ähnlichem Farbton und ist mir erst auf den zweiten oder sogar dritten Blick aufgefallen. 

Mich überrascht die Fülle an Objekten und Informationen, die das Museum präsentieren kann. Unwissende können bei einem Besuch also sehr viel lernen. Ich finde aber, dadurch wurden leider auch zu wenig deutliche Schwerpunkte gesetzt. Der Rehabilitation von Anna Göldi etwa, die erst 2008 (!) stattgefunden hat, werden knapp 2mund nur ein Tisch, versteckt hinter einem Tuch, gewidmet. Und auch die Aufarbeitung des Stoffes in verschiedensten Formen – wie Bücher, Filme oder ein grossangelegtes Lichtbildtheater an einem Originalschauplatz – hätten meiner Meinung nach mehr Präsenz verdient. Der Fokus der Ausstellung bleibt so leider bei der Geschichte von Anna Göldi und dem skandalösen Gerichtsprozess. Sie verpasst es, den Besucher:innen etwas Einmaliges mitzugeben, wodurch die Ausstellung für mich persönlich zu einer ausstattierten Reproduktion der bereits bekannten Geschichte wird. Mir fehlt ein Bezug zu heute, ein deutlicher Fokus oder eine Vertiefung. Dabei würde sich Einiges anbieten: feministische Themen, ethische Aspekte oder philosophische Zugänge. So aber bleiben mir von diesem Ausflug vor allem das eindrückliche Gebälk und die Dimensionen des Hänggiturmes in Erinnerung.

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