Eine Berührung mit fremden Eingeweiden und dem Herz
Eine Berührung mit fremden Eingeweiden und dem Herz
Louise Bourgeois X Jenny Holzer – The Violence of Handwriting Across a Page, Kunstmuseum Basel
Ein Text von Petra Rusch
Von der ersten Begegnung mit dem Werk von Louise Bourgeois in dieser Ausstellung bis zum beinahe nie sich einsetzenden Ende dieser Erfahrung erlebte ich eine berührende Nähe zu ihrer Arbeit wie noch nie zuvor.
Jenny Holzer kuratiert eine Ausstellung über ihre langjährige Freundin Louise Bourgeois und stellt sich dieser Herausforderung mit immensem Interesse und Liebe. Daraus entstand eine Ausstellung mit einer eigenwilligen Poetik voller Kraft und Unruhe. Diese Haltung Holzers trug meines Erachtens viel zu meiner einzigartigen Ausstellungserfahrung bei: Es war ein emotional höchst intensives, verstörendes und zugleich auch zärtliches Erleben des Werks Bourgeois.
Durch die Wahl, meinen Ausstellungsbesuch vom Hauptbau aus durch den unterirdischen Verbindungsgang zu starten, tauche ich unmittelbar physisch in das Werk von Bourgeois ein. Denn, auf dem Weg in den Verbindungstrakt werde ich frontal auf eine zwei Stockwerke ragende Wand geleitet mit dem Titel der Ausstellung «The Violence of Handwriting Across a Page» – es fühlt sich an, als würde ich direkt gegen die Wand rennen. Dieses über den Körper Erfahren, unmittelbar über die Sinne wahrnehmen und daher höchst intuitive Erleben, setzt sich in der ganzen Ausstellung fort. Es scheint mir, als würde ich durch jeden Ausstellungsraum tiefer in den Körper von Bourgeois eindringen. Als würde mir durch die Ausstellungsgestaltung von Holzer ermöglicht, mich immer wieder anders und neu im Körper von Bourgeois zu verorten und diesen so unmittelbar aus der Perspektive Bourgeois zu erleben.
Die unterschiedlichen Dimensionen der Werke sind poetisch inszeniert und man ist aufgefordert, sich physisch dazu zu verhalten: Der Blick richtet sich hoch zu grossen Aquarellen, welche im oberen Drittel der Wand gehängt sind und lässt die Leichtigkeit der Schwünge des Pinsels, die Transparenz des Blaus nachfühlen in einem Moment der Freiheit und Klarheit von Bourgeois. So wie man sich auch behutsam gebückt nähert, dem winzigen, unter einer Glashaube geschützten schwarzen Objekt. Erst aus der Nähe betrachtet erkenne ich die Nägel, welche brutal in diesen, einer Laus ähnlichen Körper geschlagen wurden.
Solche Brüche sind omnipräsent und lassen einem die permanent lauernde Bedrohung fühlen wie ein schwerer Stein im Magen. Die Leichtigkeit, Harmonie und Verbundenheit mit sich und mit der Umwelt ist konstant auf der Kippe. Holzer positioniert in mehreren Räumen eine Skulptur – solitär und verlassen steht diese da, umgeben von Bildern, welche sich inhaltlich in dieser widerspiegeln. Als Betrachterin nehme ich die Position dieser Skulptur ein und betrachte von dieser ausgehend meinen Umraum, die Bilder und Texte: Die tropfende Wasserfarbe im Inneren des blutigen Uterus, die Fingerspitzen und Krallen der Nägel im Moment des Stickens auf zartem Stoff.
Inkorporiert, in meinen Körper eingeschrieben werden diese Erzählungen, teils wie ein Parasit eingedrungen, andere wie einen mit Frühlingswind gefüllter Atemzug voller Leichtigkeit und Hoffnung.
20.04.22