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Abb.3 Titelbild 1

Dialog im Dunkeln

Dialog im Dunkeln

ein Text von Clemens Marti                                                                                                                             

Es ist bereits eine Weile her, als ich im Dialoghaus in Hamburg dem «Dialog im Dunkeln» beiwohnen durfte. Eine eindrückliche Ausstellung/Führung, in welcher der visuelle Sinn durch die Dunkelheit ausgeschalten wird und sich die rezipierenden Besucherinnen und Besucher auf ihre anderen Sinne verlassen müssen und dürfen. Das Dialoghaus in Hamburg schafft Sehbeeinträchtigten oder blinden Menschen Arbeitsplätze und das Besuchspublikum wird von ihnen durch die Dunkelheit begleitet. Das Besuchserlebnis gewährt den Besuchenden kurzzeitig einen „Einblick“ in die Welt des „Nichtsehens“ und schärft somit das Bewusstsein für die anderen eigenen Sinne und Wahrnehmungen. Tatsächlich ist mir dieser Dialog trotz längst vergangener Zeit stets in Erinnerung geblieben. 

Wie bereits beschrieben, lebt diese Inszenierung durch den Verlust des visuellen Sinnes. Mit einer Gruppe werden alltägliche Szenarien durchlaufen, wie zum Beispiel das Überqueren einer Strasse oder das Durchqueren eines Parks. Die Wahrnehmung des auditiven, haptischen und auch olfaktorischen Sinnes wird in den völlig dunklen Räumen gesteigert. Der einstündige Durchgang der dunklen Räumlichkeiten regt durch den Einsatz von Audiosequenzen, haptischen Elementen und auch Gerüchen sowie der freundlichen Leitung der führenden Person die Phantasie der Besuchenden an und lässt einem die alltäglichen Schauplätze selbst in völliger Dunkelheit vor Augen führen. Selbst der Geschmackssinn kommt bei einem Barbesuch in völliger Dunkelheit nicht zu kurz. Das Highlight des Rundgangs war für mich das dramaturgisch ausgeklügelte Finale, in welchem die Dunkelheit durch einen Vorhang verlassen wurde und die Besuchenden ihren Guide, den sie im Dunkeln nie sehen konnten, das erste Mal zu Gesicht bekamen.  

Auch interessant für mich war einerseits die Rolle der Besuchenden und andererseits der führenden Person in dieser Inszenierung wahrzunehmen. Tatsächlich kam es zu einem Dialog und es war festzustellen, wie im Dunkeln die Hemmungen geringer wurden mit Leuten ins Gespräch zu kommen, sich gegenseitig in der Dunkelheit zu unterstützen oder sich einfach anzurempeln und sich dafür lachend zu entschuldigen. So wurde durch die Intervention der Szenografie, dem Entzug des visuellen Sinnes, sowie den rezipierenden und gleichzeitig mit den Mitarbeitenden zusammen performenden Besuchenden eine abenteuerliche Atmosphäre geschaffen, die es schaffte, in einem eigentlich beängstigenden dunklen Raum in kürzester Zeit ein Gefühl von Vertrauen und Wohlbefinden herzustellen.

Basel, 26.04.2022

Abb.1: Gruppe unterwegs in «Dialog im Dunkeln» (Badisches Tagblatt, 28.12.2020).
Abb.2: Schriftzug «Dialog im Dunkeln» in Blindenschrift

Abbildungsverzeichnis:

Titelbild: Guide vor Eingang zu «Dialog im Dunkeln» (Facebookseite von «Dialog im Dunkeln» Hamburg, 15. Oktober 2021).

https://www.facebook.com/dialoghaushamburg/photos/6211271428946121 (26.04.2022)

Abb.1: https://www.badisches-tagblatt.de/Lokales/BadenBaden/Dialog-im-Dunkeln-sorgt-weltweit-fuer-Furore-68733.html (26.04.2022)

Abb.2: Schriftzug «Dialog im Dunkeln» in Blindenschrift (Clemens Marti, 26.04.2022).

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