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KUNST ALS MITTEL DER AUFLEHNUNG EINE PASSIVE BEGEGNUNG MIT DER UNTERDRÜCKUNG

KUNST ALS MITTEL DER AUFLEHNUNG

EINE PASSIVE BEGEGNUNG MIT DER UNTERDRÜCKUNG

Besuch der Ausstellung «Tools for Utopia» im Kunstmuseum in Bern.

Ein Text von Elen Friede

Ausgangspunkt für jene Ausstellung sind die Werke, welche zwischen den frühen 1950er- und den späten 1970er-Jahren von Künstler*innen aus Brasilien, Venezuela, Uruguay und Argentinien entstanden sind. Mein Erlebnis inmitten dieser Ausstellung führt mich entlang der Absage an die rechteckige Form des Rahmens und der Überschreitung dessen Grenzen, vorbei an den gesellschaftlichen und politischen Utopien, durch eine Kunst als Mittel der Auflehnung und des Widerstandes gegen die brutale Diktatur.

In Raum Eins begegne ich diesem Widerstand in Form der Dreidimensionalität. Die Flächigkeit wird überwunden, Ausgestelltes wird zum lebenden Organismus. Kunst, in die man beinahe hineinschlüpfen kann. Jesús Rafael Soto, ein venezuelanischer Künstler, schuf 1976 das Werk Inmateriales en muro blanco (Abb.1). Es zieht mich vom Eingang der Ausstellung magisch an. Von Weitem nehme ich fälschlicherweise an, dass ich mich einem flächigen Kunstwerk nähere. Jetzt, als ich zwei Meter davor stehe und meine Kamera über die Grenzlinie der Absperrung strecke, um dem Werk noch näher zu kommen, piekst es mich. Da begreife ich erst, es ist dreidimensional. So als wollten die horizontalen Linien des Werkes in die Dreidimensionalität ausbrechen, als wäre mir das Kunstwerk seit Anfang an entgegengetreten. Ich bleibe verdutzt und fasziniert stehen, bevor ich weitergehe.

Ana Mendieta stellte 1985 in Kuba die sechsteilige, titellose Fotografie-Serie fertig, die ich im Raum Zwei betrachte (Abb.2). Abdrücke eines weiblichen Körpers auf Glas. Ich erkenne die unterdrückte Frau und deren gleichzeitige Weigerung, den Erwartungen des männlichen Blicks, den Frauenkörper als erotisiertes Objekt zu sehen, zu entsprechen. Durch die an den Körper gepressten Glasscheiben deformiert sie ihren Körper und zeigt mir zeitgleich auf, dass sie die vollständige Kontrolle über ihre Erscheinung behält, trotz der zur Norm gewordenen unterdrückten Rolle der Frau in der Gesellschaft. Ich bin berührt und fühle Stärke. Im selben Raum läuft ein Film von Priscilla Monge mit dem Titel Lección de maquillaje, in dem ein Mann eine Frau schminkt, sie berührt. Auch hier wirkt alles, als wäre die Frau ein Objekt (Abb.3). Die Absurdität lässt mich mit einem angewiderten Blick weiterziehen und doch den Gedanken in mir weiterleben, dass mit diesen Kunstwerken jene eine Stimme bekommen, die zum Schweigen gezwungen werden.

Raum Drei, vor mir liegen drei Bronze-Steine in einer Plexiglas-Vitrine (Abb.4). Daran befestigt ist jeweils ein kleines Schild auf dem steht: «To the Police». Das gleichnamige Werk von Antonio Dias entstand 1968 und symbolisiert eine an die Betrachter*innen gerichtete Handlungsanweisung. Ich werde aufgefordert, mich am politischen Widerstand zu beteiligen und rücke somit von einer passiven Haltung in eine beinahe aktive. In jenem Raum dreht sich jedes Werk darum, eine andere Position einzunehmen – das Werk als zeitloser Kommentar zu Formen der Unterdrückung jeglicher Art.

Ich laufe Richtung Ausgang, zurück ins Jahr 2021. Einiges ist anders, als es die Ausstellung dokumentiert. Und doch fällt mir auf, dass zu vieles auf dieser Welt gleich oder zumindest ähnlich geblieben ist.

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