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Schokoriegelinstallation
Schokoriegelinstallation
Sakepirinha
Abb.2
ZUckernüsse
Zungenpiktogramm
Schokoriegelinstallation Sakepirinha Abb.2 ZUckernüsse Zungenpiktogramm

Museum, ein Zuckerschlecken?

Museum, ein Zuckerschlecken?

Amuse-Bouche – Der Geschmack der Kunst
Museum Tinguely, Paul Sacher-Anlage 2, 4002 Basel

Ein Text von Kevin Peterhans

«Kunst zum Ablecken?», schreit meine Zunge und macht einen kleinen Hüpfer in meinem Mund. «Na dann, nichts wie hin», sage ich hustend. Vor den Zeiten der Coronakrise, war so ein Versprechen ein riesen Ding für uns beide.
Das Tinguely Museum baut sich vor mir auf und ich schreite hinein. Ich lese den Text, der mich in die Ausstellung einführen soll und sehe das kleine Piktogramm, was bedeutet, dass nicht nur ich, sondern auch meine Zunge heute etwas Kultur erfahren wird. Das erste Bild, welches mir in die Augen sticht, ist eine Zunge, die einen Augapfel ableckt. Irgendwie verstörend, aber sehr interessant. Doch der kleine Störenfried im Mund drängt mich weiterzugehen.
Die Ausstellung wurde nach Geschmacksthemen, wie zum Beispiel «bittersüss» oder «umami», was soviel wie Schmackhaftigkeit bedeutet, gegliedert. Ich schlendere vom «Geschmack der Begierde» zu «Eat-Art» über «umami». Bis jetzt haben nur Gemälde und Skulpturen meinen Weg gekreuzt, aber nichts zum Ablecken. «Was soll das?» fragt meine Zunge. «Es stand doch explizit, dass…», sie stockt. Im Raum um das Thema «süss» erstreckt sich eine Wandinstallation voll mit Kinder-Riegeln. Meine Zunge springt zwischen meinen Zähnen durch und reisst mich – was unglaublich blöde ausgesehen haben muss, in Richtung Installation. «Hey!», höre ich jemanden sagen. Die Wachperson belehrt mich und erklärt, dass nur angemeldete Gruppen die Kunst probieren dürfen. «Was?», zischt es zwischen den Zähnen hervor und wie auf Knopfdruck betritt ein Guide mit fünf Personen den Raum. Mit meinen Augen und den Geschmacksknospen meiner Zunge müssen wir mit ansehen wie jede einzelne Person dieser Gruppe sich genüsslich einen Riegel in den Mund schiebt. Ich versuche mich weiter auf die Kunst zu konzentrieren, was mir echt schwerfällt, denn meine Zunge tobt. «Psst, die Leute gucken uns schon blöde an!», versuche ich sie still zu stellen. Im Raum «Geschmack des Fremden» ist ein Plakat mit einem Rezept für einen Caipirinha mit Sake drauf, ausgestellt. «Egal, wie der schmeckt, wenn wir zuhause sind will ich den!», grummelt die Zunge zu mir. Wir begeben uns in den Raum «bitter» und schauen uns «Grosses Schimmelbild» von Dieter Roth an, wobei mir jegliche Art von Appetit vergeht. Wir beobachten wie die Gruppe aus einer, auf einem Podest platzierten, Toilette trinkt. «Ich will das auch», schluchzt die Zunge. «Ehrlich gesagt, bin ich froh, dass ich da nicht daraus trinken muss», antworte ich ihr. «Das ist mir Schnuppe! Wenn die das dürfen, will ich es auch! Uns wurde ein Versprechen gegeben und gezahlt haben wir auch, also eigentlich nicht, du bist ja Student, aber du weisst was ich meine», schnippt sie zurück. Im letzten Raum «sauer» steht ein Getränkeautomat, wo Sauerkrautsaft angepriesen wird. Ich möchte mir eine Flasche genehmigen, bemerke aber dabei, dass ich zuerst Geld einwerfen muss. «Du hast kein Kleingeld, oder?» frage ich meine Zunge. Jetzt ist nicht nur der Raum sauer, sondern meine Zunge auch. Mit hängendem Kopf gehe ich in der Eingangshalle umher. Im linken Teil neben dem Méta-Maxi-Maxi-Utopia von Tinguely erstreckt sich eine 22 Meter lange Wand vor mir. Sie ist bis zur Decke hoch voll mit glasierten Zuckernüssen bestückt. Die Installation Goosebump von Elizabeth Willing lädt dazu ein die Leckereien anzuknabbern. Unsere Stimmung hebt sich enorm, doch nicht für lange. Alle Zuckernüsse vom Boden bis knapp über meinen Kopf sind schon angebissen. «Lass uns gehen», sagt meine Zunge traurig. Beim Ausgang befindet sich eine Pyramide aus Orangen. Grosszügig wird angeboten, dass man eine Orange mitnehmen darf. «Nimm zwei», flüstert meine Zunge mir zu. Wir setzen uns schweigend, mit einem seelischen «Zwei-Meter-Abstand» voneinander entfernt an die
Bushaltestelle. Enttäuscht essen wir die Orange, sie ist ein wenig bitter.


Abb. 1: Zungenpiktogramm
Abb. 2: Schokoladenriegelinstallation
Abb. 3: Sakepirinha
Abb. 4: Sauerkrautsaft
Abb. 5: Zuckernüsse

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